UX-Design

Die Bedeutung von schlechter User Experience

Veröffentlicht am 21. Juli 2024

Wann immer einer Zielgruppe ein Produkt jeglicher Form zur Verwendung bereitgestellt wird, sollte stets das Ziel verfolgt werden, jeder Person aus der Zielgruppe eine als optimal wahrgenommene Verwendung des angebotenen Produktes sowie eine bestmögliche Reaktion auf ebendiese Verwendung zu bieten. Per Definition des Begriffs der User Experience (nach DIN) resultiert diese Wahrnehmung und Reaktion dabei nicht nur aus der tatsächlich erlebten, sondern auch der erwarteten Verwendung eines Produktes. Alternativ könnte die User Experience (UX) eines Produktes als das positive oder negative Gefühl gesehen werden, das die Zielgruppe nicht nur bei der Verwendung, sondern bereits bei dem bloßen Gedanken an ein Produkt empfindet.

Grafische Aufbereitung der Definition von User Experience und Usability laut DIN EN ISO 9241-210 und DIN EN ISO 9241-211. Grafische Aufbereitung der Definition von User Experience und Usability laut DIN EN ISO 9241-210 und DIN EN ISO 9241-211.

Das Ziel einer guten UX sollte nicht nur als moralische „Pflicht“ gesehen, sondern auch allein deswegen verfolgt werden, weil es die Grundlage dafür bietet, Personen langfristig an ein Produkt zu binden. Die Marke Apple ist seit einigen Jahren ein Musterbeispiel dafür, wie die einfache Bedienbarkeit ihrer Systeme, aber auch das geradezu einladende Verpackungsdesign eine Vorfreude darauf schafft, ein Apple-Produkt in der Hand zu halten.

[...] people DO judge a book by its cover, a company by its representatives, a product’s quality by the quality of its collateral materials etc.

The Apple Marketing Philosophy, 1979

Doch kann der Vergleich mit einem Unternehmen dieser Größe an vielen Stellen auch ein unberechtigter Griff nach den Sternen sein und sollte mit Vorsicht betrachtet werden. Was lässt sich daraus jedoch im Kern ableiten, wenn nicht gerade die Absicht besteht, das neue IPhone zu entwickeln oder schlichtweg keine Ressourcen für die Gestaltung und Herstellung derart ausgefeilter Produktverpackungen vorliegen?

Grafik zur Darstellung des Anteils wiederkehrender Besucher nach einer negativen Erfahrung mit einer Webseite. Grafik zur Darstellung des Anteils wiederkehrender Besucher nach einer negativen Erfahrung mit einer Webseite.

Ein möglicher Ansatz, dieses Wissen über den Einfluss von User Experience in den eigenen Produkten zu implementieren, ist die Vermeidung von schlechter UX. Mit einer derartigen Philosophie lassen sich Gestaltungsentscheidungen häufig leichter treffen und vor allem begründen. Ob möglichst wenige Optionen in einer grafischen Benutzungsschnittstelle oder eindeutig geformte Türgriffe zur Unterscheidung zwischen Drücken und Ziehen, beiden Fälle bringen uns näher an das Ziel, Personen zu der gewünschten oder richtigen Handlung zu verleiten – und zwar ohne zusätzliche Kosten für Materialien oder eine längere Entwicklungsdauer.

Veranschaulichung von „Norman Veranschaulichung von „Norman's Door“. Der Bau und das unterschiedliche Erscheinungsbild der Türgriffe verleiten implizit zur richtigen Verwendung.

Ein gängiges Beispiel dafür, wie schlechte UX auf mehreren Ebenen negative Folgen mit sich tragen kann, war lange Zeit an (deutschen) Fahrkartenautomaten zu sehen. Die unzähligen Tarifoptionen oder manuelle Eingaben von Zielhaltestellen per Touchscreen führen zu erhöhter Frustration und entsprechend geringerer Bereitschaft, dieses Verkehrsmittel überhaupt zu nutzen, geschweige denn es einem anderen vorzuziehen. Die Rede ist hier nicht von potenziellen Schwarzfahrern (das Vermeiden von rechtswidriger Beanspruchung oder Verwendung einer Leistung bzw. eines Produktes ist ein anderes Thema), sondern von Personen, die eine Bereitschaft aufweisen, das Produkt, in diesem Falle den Fahrkartenautomaten, zu verwenden. Es handelt sich um Personen, die bereits den letzten Schritt des Prozesses eingeleitet haben, ein Teil Ihrer Kundschaft zu werden (vgl. AIDA-Prozess), es wird jedoch riskiert, allein aufgrund von schlechter UX das Wachstum des Produktes einzuschränken, was logischerweise einen direkten wirtschaftlichen (und in diesem Falle sogar einen ökologischen) Schaden zur Folge hat.
Eine deutlich bessere UX wäre in diesem Kontext durch ein automatisches System zur Buchung von Fahrkarten gegeben, in dem die Fahrtkosten, wie bspw. In New York City, direkt am Drehkreuz zum Betreten der Subway-Gleise mit der Kreditkarte oder einer dafür vorgesehenen Prepaid-Karte abgebucht werden.

[...] whenever people made errors using these ill-constructed devices, they blamed themselves.

The Design of Everyday Things, Donald Norman, 1988

Selbstverständlich ließe sich über mögliche andere Nachteile des obigen Beispiels diskutieren, es ist jedoch nicht abzustreiten, welches Fahrkartensystem die bessere UX bietet (wobei Deutschland durch die Einführung des 49€-Tickets natürlich auch einen riesigen Sprung in Sachen UX macht).
Wie lässt sich dieser aversive Ansatz gegenüber schlechter UX also in die Softwareentwicklung, speziell auf das World Wide Web, übertragen?

Während viele Aspekte, wie möglichst geringe Ladezeiten oder ein fehlerfreies Erscheinungsbild auf allen Endgeräten, bereits bekannt und weit verbreitet sind, ist es oft die tiefergehende Betrachtung derartiger Aspekte, bei der negative Einflüsse auf die UX zum Vorschein kommen. So werden Personen einen geringeren Grad an Frustration (und damit einhergehend ein erhöhtes Maß an Zufriedenheit) empfinden, je klarer verschiedene Auswahlmöglichkeiten in einer Dropdown-Liste voneinander abzugrenzen sind – sowohl visuell als auch inhaltlich.

Neben Vermeidung der Frustration ist ebenso die Vertrauenswürdigkeit und wahrgenommene Professionalität ins Auge zu fassen, wenn das Ziel verfolgt wird, Personen bspw. an ein Produkt heranzuführen. Auch Hinweise über die sichere Verarbeitung der Zahlungsinformationen oder das Vorhandensein des bekannten Trusted Shops Gütesiegels dienen dem primären Zweck, keine Zweifel über die Seriosität eines Produktes (oder in diesem Falle des gesamten Online-Shops) aufkommen zu lassen.

Trusted Shop Logo auf der Webseite des Steuer-Software-Entwicklers Buhl. Trusted Shop Logo auf der Webseite des Steuer-Software-Entwicklers Buhl.

Da Google die User Experience von Webseiten mittlerweile bei der Bewertung ihrer Relevanz und der entsprechenden Position in den Suchergebnissen mit einbezieht, bietet die Firma in Form ihrer Core Web Vitals Messwerte für visuelle Fehler oder Ladezeiten an. Diese Werte, die sich über verschiedene Google-Tools abrufen lassen, weisen unter anderem auch auf ungewollte Verschiebungen von Elementen oder fehlende Funktionsfähigkeit von Schaltflächen oder Links hin. Wenn jedoch die UX einer bestimmten Funktion oder Gestaltungsvariante getestet werden soll, welche nicht auf einer offensichtlichen Verbesserung oder einer bestehenden Studienlage basiert, müssen spezielle Evaluationen mit der Zielgruppe durchgeführt werden. Wenn es um das Finden von Fehlern in der Bedienbarkeit Ihres Systems geht, müssen Sie glücklicherweise auch keine hohe Teilnehmendenzahl erreichen, um wichtige Aussagen treffen zu können. Ganz im Gegenteil: Jakob Nielsen, Experte für Gebrauchstauglichkeit in Software und Webseiten, konnte zeigen, dass nicht mehr als 5 Testpersonen notwendig sind, damit der Großteil der Fehler in Ihrer Benutzungsschnittstelle zum Vorschein kommt.

Veranschaulichung der Aussage von Jakob Nielsen, laut der ein Großteil der Usability-Fehler eines Produktes von insgesamt 5 Testpersonen gefunden wird. Veranschaulichung der Aussage von Jakob Nielsen, laut der ein Großteil der Usability-Fehler eines Produktes von insgesamt 5 Testpersonen gefunden wird.

In Kürze heißt das:
User-Experience-Design mag zwar ein komplexes Feld sein, der hier beschriebene aversive Ansatz ist jedoch keine Leistung, die Unmengen an Ressourcen erfordert. Um dieses Vorgehen in Software- und vor allem Webdesign in Gänze umsetzen zu können, ist zwar wertvolle Expertise in der Konzeption und Realisierung unverzichtbar, die Vermeidung erkennbar schlechter UX ist jedoch keine Leistung, die Unmengen an Ressourcen erfordert. Lediglich mit strukturierten Denk- und Bewertungsprozessen unter Berücksichtigung vorhandenen Domänenwissens lassen sich grundlegende UX-Patzer möglicherweise schon vermeiden, was einen soliden Grundstein für eine zufriedene Zielgruppe legen wird.

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